Zeitungsartikel

Es braucht viel Körperbeherrschung Susanne Ehmann

Von Susanne Ehmann

Mo, 15. September 2014

Ehrenkirchen

ÜBER DIE SCHULTER GESCHAUT: Kann jeder Karate lernen? Trainer Arno Harter meint ja! Ein Selbstversuch .

  •  
  • Hoch das Bein: Karate erfordert viel Beweglichkeit. | Foto: Susanne Ehmann Hoch das Bein: Karate erfordert viel Beweglichkeit. Foto: Susanne Ehmann
  • Die Farbe des Gürtels gibt Aufschluss ...ie Allerkleinsten trainieren fleißig. | Foto: Susanne Ehmann Die Farbe des Gürtels gibt Aufschluss über den Entwicklungsstand der Karatekämpfer. Schon die Allerkleinsten trainieren fleißig. Foto: Susanne Ehmann
  •  | Foto: Susanne Ehmann Foto: Susanne Ehmann

EHRENKIRCHEN/NORSINGEN. Ich wappne mich gegen den Angriff: Versuche mühsam meine Arme zur Abwehr in die richtige Haltung zu bekommen und gleichzeitig meine Füße zu positionieren – für den Gegenangriff. Doch weder Arme noch Beine wollen so recht das tun, was ich will. So werden meine Bewegungen ein eher improvisiertes Kuddelmuddel und erinnern nur entfernt an das, was es sein soll: Karate. Ich bin heute das erste Mal bei einem Training dabei.

Seit 2001 wird im Ehrenkirchener Verein Fit-und-Fun Karate unterrichtet. Mittlerweile trainieren 200 Mitglieder dort den Kampfsport. Ursprünglich kommt Karate aus Japan. Hierzulande war Karate früher eine Randsportart, wurde aber zunehmend bekannter – auch dank Filmen wie "Karate Kid". Es ist ein Distanzsport, denn: "Im Idealfall ist er kontaktlos. So muss man nicht in verschwitzte Achselhöhlen greifen", meint Arno Harter, Karatetrainer und Vorsitzender des Vereins. Die Kämpfer nähern sich also bei Fuß- oder Fauststößen um Zentimeter dem Gegner, sollen ihn aber nicht berühren. Das erfordert viel Körperbeherrschung. Zahn- oder Brustschutz werden nur verwendet, "falls etwas daneben geht". Hinzu kommt die Fähigkeit der Selbstverteidigung: "Wenn man es mal braucht, ist es gut, es zu können." Das Wissen, sich im Notfall verteidigen zu können, bringt Selbstsicherheit. "Und die strahlt man aus." So würden manche Konflikte im Keim erstickt. Arno Harter weiß, wovon er spricht. Der pensionierte Polizist war Mitglied des mobilen Einsatzkommandos und trainierte schon allein aus beruflichen Gründen Karate – nun seit mehr als 40 Jahren. Generell gilt jedoch: Der Karateka verwendet die Kampfkunst nur zur Verteidigung – nicht zum Angriff. Einzige Ausnahme sind Wettkämpfe.

Der Trainingsraum in Norsingen ist mit dicken Gummimatten ausgelegt und voller Menschen, barfuß und in weißen Anzügen mit roten, grünen, braunen oder schwarzen Gürteln. Das Karate-Gi ist die "Uniform" der Karatekämpfer, der "Karateka". Gürtelfarben gibt es noch einige mehr, sie zeigen den Wissens- und Entwicklungsstand des Kämpfers. Für jeden neuen Gürtel müssen sie eine Prüfung ablegen.

Arno Harter zeigt mir, wo meine Füße hingehören, damit ich einen besseren Stand bekomme, wo meine Hände sein müssen, die meinen Kopf schützen sollen und in welche Richtung meine Fäuste zeigen. Ich soll eine Angriffkombination üben. Die besteht aus Fuß- und Fauststößen und klappt nun ein wenig besser – ist aber noch meilenweit entfernt von den dynamischen, fließenden Bewegungen der Karateka, die mit mir trainieren.

Begonnen hatte der heutige Trainingstag mit den Allerkleinsten: Trainerassistentin Lea trainierte eine Gruppe von Kindern im Alter zwischen fünf und neun Jahren. Lea ist zwölf Jahre alt und hat vor zwei Wochen den schwarzen Gürtel erworben, den Junior Dan. Seit einem halben Jahr trainiert sie gemeinsam mit Arno Harter die Kleinen, macht mit ihnen Fitness, bringt ihnen die Techniken bei. In Ehrenkirchen werden Kinder mit dem Programm "Samurai-Kids" trainiert. Dabei steht neben Gesundheit, Koordination und Konzentration besonders das Thema Sicherheit im Mittelpunkt. Die Kinder lernen, was sie tun können, wenn sie ihre Eltern im Gedränge verlieren, wie sie sich im Straßenverkehr verhalten sollen und auch, wie sie sich gegen Übergriffe wehren können. Das alles stärkt das Selbstbewusstsein. Außerdem soll Karate, laut einer Studie der Sporthochschule Köln, sogar schlaumachen.

Nach den Kleinen kommen die etwas Älteren. Sie üben die sogenannte "Kata". Bei dieser Disziplin werden in ihrer Abfolge genau festgelegte Angriffs- und Abwehrtechniken gegen einen imaginären Gegner ausgeführt. Im Karate gibt es verschiedene Stilrichtungen. In Ehrenkirchen wird der Stil "Shotokan" gelehrt. Konzentriert und nahezu völlig synchron reihen die Jugendlichen Blocks und Angriffskombinationen aneinander. Die Bewegungen sind kraftvoll und schnell – und sehr schön anzusehen.

Bei Karate geht es um Kraft, Ausdauer, Schnelligkeit, Beweglichkeit und Konzentrationsfähigkeit. Dass meiner Beweglichkeit ein wenig Training nicht schadet, zeigt sich bei der nächsten Übung: Fußstöße gegen die sogenannte Pratze. Meine Trainingspartnerin Sarah hält das flache Kissen vor sich, auf Brusthöhe – dorthin soll mein Fuß. Ich versuche mein Bein in eine passende Höhe zu schwingen und nicht daneben, um dann womöglich Sarah zu treffen. Zwar trifft mein Fuß die Pratze, aber meine Hüfte, die sich eigentlich mitdrehen sollte, macht irgendetwas anderes. Erst als mich der Trainer stützt, bekomme ich eine Idee davon, wie es sich anfühlen kann, wenn man es richtig macht – denn auch ein gutes Gleichgewicht ist wichtig. Die Worte von Arno Harter machen mir aber Hoffnung: "Ich behaupte: Karate kann jeder lernen." Man müsse nur trainieren. Mit zwei Mal wöchentlich eine Stunde kommt man gut voran, ist sich Arno Harter sicher.

Zum Schluss wird gekämpft. Aber bei den Zweikampfübungen, den sogenannten "Kumite", darf ich glücklicherweise aussetzen. Die Kämpfer müssen vier Treffer, also vier Punkte, erzielen, um zu gewinnen. Einige von ihnen trainieren für die Weltmeisterschaft der "World Kickboxing and Karate Union" Ende August in London. Ich möchte dabei nicht dazwischen geraten, denn die Kämpfe sind schnell, die Angriffe folgen rasch hintereinander. Mein Training ist also vorbei. Schade: Spaß hat’s gemacht.

Ressort: Ehrenkirchen

  • Veröffentlicht in der gedruckten Ausgabe der BZ vom Mo, 15. September 2014: